Netzintegration Elektromobilität
Natürlich gewachsene Ortsgrenzen, längere Distanzen zwischen den Anschlüssen und eine höhere Gesamtzahl der Anschlusskunden, die über einen Stromkreis versorgt werden: die Strukturen des Verteilnetzes im ländlichen Raum unterscheiden sich wesentlich von denen städtischer oder vorstädtischer Regionen. Die genannten Faktoren erhöhen vor allem das Risiko von größeren Spannungsschwankungen, welches durch hohe Leistungen, wie sie ladende E-Autos benötigen, nun noch verstärkt wird. Das macht den Ausbau und Betrieb ländlicher Verteilnetze verglichen mit städtischen Netzen zu einem komplexeren und aufwändigeren Unterfangen.
Mehr als 60 % der Verteilnetze im Versorgungsgebiet der Netze BW sind ländlich bzw. sehr ländlich geprägt. Um einen möglichst repräsentativen Standort für ein NETZlabor in dieser Region auszuwählen, werden mehrere Schlüsselfaktoren berücksichtigt: Natürlich soll eine Gemeinde im ländlichen Raum ausgewählt werden. Darüber hinaus ist sowohl die Länge des Stromkreises als auch die Anzahl an Hausanschlüssen ausschlaggebend, um bestimmte Auswirkungen bei Spannung und Kapazität feststellen zu können. Die Wahl fällt schließlich auf die Römerstraße in der Gemeinde Kusterdingen im Landkreis Tübingen.
Der Strangregler ist ein technisches Bauteil, das lediglich auf das Spannungsniveau in einem einzelnen Stromkreis reagiert. Das Spannungsniveau wird durch den Regler angehoben oder abgesenkt — je nachdem, was erforderlich ist. Dieser Lösungsansatz ist eine kostengünstige Alternative zu einem kompletten Netzausbau, insbesondere in ländlichen Netzen, in denen die Spannung häufiger ein Problem darstellen kann als die Auslastung des Stromkabels. Während des Einsatzes bleibt die Spannung konstant im vorgegebenen Regelungsfenster zwischen 232 V und 240 V. Vor allem für abgelegene Stichleitungen ist der Strangregler eine denkbare Lösung. Allerdings ist für die laufende Überprüfung seiner Funktionalität entsprechende Messtechnik im Kabelverteilerschrank unbedingt empfehlenswert.
Der zentrale Batteriespeicher bietet mehrere Wirkmöglichkeiten: Durch Einspeisung am Strangende – ähnlich einer EEG-Anlage – kann er sowohl einen positiven Effekt auf das Spannungsniveau ausüben als auch die Gesamtauslastung des Stromkreises reduzieren. Beispielsweise, wenn der eingespeiste Strom zeitgleich in der Straße verbraucht wird. Mit dem zentralen Batteriespeicher konnte mit statischen und dynamischen Betriebsmodi auf die maximale Spannungsdifferenz von 11,5 V im Stromkreis (Wert aus dem freien Laden) ein positiver Effekt erzielt werden.
Lademanagement sorgt dafür, dass einerseits die maximal zur Verfügung stehende Leistung gleichmäßig unter den E-Fahrzeugen verteilt wird, andererseits aber Lastspitzen im Stromnetz vermieden werden. Indem die in einem Stromkreis zur Verfügung stehende Leistung aufgeteilt wird, kann ein Lademanagementsystem gezielt Ladevorgänge steuern. Ausgehend von Standardlastprofilen, der zu erwartenden Nutzung von E-Fahrzeugen und dem daraus resultierenden Ladeverhalten werden während des statischen Lademanagements Fahrpläne erstellt. Damit wird die Ladeleistung temporär reduziert, um die Lastspitze der Elektromobilität gezielt zu senken. Es wird eine um 27,5 % geringere Durchschnittsauslastung des Stromkreises erreicht.
Beim dynamischen Lademanagement werden Ladevorgänge mittels Echtzeit-Messwerten aus dem Stromnetz gesteuert. Anders als bei statischen Varianten, die täglich im vorgegebenen Rhythmus und unabhängig von der Netzsituation Steuerungs- und Freigabebefehle ausführen, greift das dynamisch Lademanagement nur ein, wenn es die Netzsituation erfordert. Wird ein Grenzwert erreicht, beginnt das System mit einer schrittweisen Reduktion der Ladeleistung; verbessert sich die Netzsituation wird stufenweise wieder freigegeben. Den Kund*innen steht zwischen 85 - 95 % der Zeit die maximale Ladeleistung zur Verfügung, was nach eigenen Angaben zu keinerlei Einschränkungen in deren Nutzungsverhalten führt. Hochrechnungen mit den ermittelten Ergebnissen aus Kusterdingen ergaben, dass beinahe doppelt so viele E-Fahrzeuge in das Netz der Römerstraße integriert werden können, als ohne Zuhilfenahme dieses technischen Lösungsansatzes.
Beim virtuellen TechTalk stellen Markus Wunsch und Patrick Vasile im Dialog die wichtigsten technischen Erkenntnisse des Projekts vor.
Zukunftsorientiert. Elektrisch. Mobil
Welche technischen Lösungsansätze das größte Potential für eine optimale Integration der Elektromobilität in die bestehende Netzinfrastruktur ländlicher Stromkreise aufweisen und welche aufschlussreichen Erkenntnisse wir bei der Beobachtung des Spannungsniveaus erlebt haben, verraten wir in unserem Abschlussbericht des NETZlabors E-Mobility-Chaussee.
Antworten zu den häufigsten Fragen finden Sie in unserem FAQ-Bereich.